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Inside Wien MarathonAndrea schreibt:Mein Marathon: Kurz vor 8 machten sich Andi und ich auf den Weg zum Start: Andi mit seinem Street-Stepper und ich mit meinem Rad. Hubert hat zwar sehr dringend von einer Radanreise abgeraten, nachdem uns aber nichts besseres einfiel, hielten wir uns nicht an seine Vorgaben. Ich sperrte mein Rad auf der Donauinsel ab und spazierte gemütlich auf die Reichsbrücke rauf. Aber was war das? Warum hatte ich plötzlich dermassen Bauchweh? Sicher nur ein Symptom der Nervosität. Einfach ignorieren. Und was ist das? Es ist gerade mal 8:00 Uhr und die ganzen Afrikaner kommen mir bereits im Laufschritt entgegen. Hubert meinte, ich solle maximal 25min vorm Start mit dem Aufwärmen beginnen und dann reichen auch 5-10min lockeres Laufen und 2 Steigerer. Also, wo ist Hubert? Irgendwie geht dann alles recht schnell und plötzlich hab ich es schon eilig, meine Wettkampfschuhe anzuziehen. Ein letzter Steigerer noch (wow, das fühlt sich heut schnell an) und dann ab in den Startbereich! Ich bin nervös und entspannt zugleich, voller Vorfreude und Ungewissheit. Durch die Lautsprecher dringt laut die österr. Bundeshymne! Ach, was für eine Stimmung! Der Start erfolgt dann relativ abrupt, aber bei 42 km braucht man sich am Anfang keinen Stress zu machen. Meine Kilometer-Zeiten sollten so um die 3:34 liegen, möglichst konstant. Der erste Kilometer geht bergauf, deswegen wird der wohl etwas langsamer sein (auch bei mir). Vater Weidlinger meinte vor dem Start noch, dass der erste Kilometer wahrscheinlich auch ein bisschen einfahren wird. Aber das ist überhaupt nicht der Fall. Es geht echt locker und ich kann die Stimmung in mich aufsaugen. Tempogefühl hab ich natürlich keins, aber dafür hab ich ja meine 2 Tempomacher! Das Feld hat sich schnell geordnet, vorn die Männerelite, hinten die Frauen. Wir sind eine Gruppe von etwa 10 Läufern. Wir umrunden den Praterstern und biegen in die Hauptallee ein. Andi ruft mir bei Kilometer 3 "10min30!" zu. Etwas zu schnell, aber es fühlt sich sehr gut an. Die Hauptallee ist super: schattig, völlig flach und von unzähligen Trainings bestens bekannt. Bei Km 5 die erste Verpflegstelle: meine Übergabe funktioniert einwandfrei, obwohl doch eine gewisse Unruhe ins Feld kommt, denn jeder sucht seinen "Flaschengeber". Wir laufen raus auf die Schüttelstrasse. Von einem Moment auf den nächsten beginn ich nervös zu werden: was ist los, wieso ist es auf einmal so anstrengend? Ich überleg, ob ich Hermann (meinem Tempomacher) mitteil, dass ich gern langsamer möcht. Aber ich wart noch ein bisschen ab. Die nächste Kilometerzeit ist voll im Plan. Jetzt geht's rüber über den Donaukanal: tausende Menschen jubeln und rufen. Mein gutes Gefühl ist wieder da. Am Ring wird's immer besser. Hermann pfeift mich zurück: ich lasse mich von den Anfeuerungen anstecken und werde immer schneller. Aber es geht soo leicht. Kilometer 10: Hubert steht da und deutet mir, dass das Tempo (35.15) eher zu schnell ist und ich mir ruhig ein bissi Zeit lassen kann. Wir laufen die linke Wienzeile hinaus. Laut Steckenprofil geht's hier leicht bergauf, aber mir fällt nichts auf, auch die Kilometerzeiten bleiben konstant! Es rollt richtig gut und ganz im Gegensatz zum Halbmarathon, den ich hier vor 3 Jahren gelaufen bin, kommt mir dieser Streckenabschnitt auch gar nicht furchtbar oder langweilig vor. Auch Zuschauer sind heuer ganz viele. 2 Halbmarathonmänner laufen an mir vorbei, drehen sich kurz um und feuern mich an!! Wir sind in Schönbrunn angekommen. Jetzt kommt der "steilste" Teil der Strecke. Mir gehts extrem gut und ich kann das Tempo fast halten. Allerdings setz ich mich damit fast vom gesamten Frauenfeld ab. Ich freu mich darüber, versuch aber weiterhin nur auf mich zu achten und konzentriert zu bleiben. Die äußere Mariahilferstrasse ist nicht ganz einfach auf Grund der Straßenbahnschienen. Aber ich weiß, dass bald der Abschnitt kommt, bei dem es 3 Kilometer nur bergab geht. Diesen teil nützt eine Kenianerin (mit verdammt langen Beinen...) sich etwas von mir abzusetzen. Wenn ich aufgeschaut hätte, hätte ich bemerkt, dass sie nur ein Hase ist, denn " Pace" steht hinten auf ihrer Startnummer. Aber ich registriere das eigentlich nicht. So, wie ich auch viele andere Sachen und vor allem Personen entlang der Strecke nicht registriere. So etwas ähnliches hab ich mir schon gedacht und deswegen hab ich Andi beauftragt, mir während des Rennens schon immer mitzuteilen, an wem wir aller vorbei gelaufen sind. Wir nähern uns langsam wieder dem Ring, das heißt Kilometer 20 und wahnsinnig viele Leute. Als wir am Heldenplatz vorbei laufen, seh ich den Veranstalter Wolfgang Konrad auf der Strecke stehn. Er mustert mich, um zu beurteilen, wie es mir geht. " super geht's mir!", will ich rufen, behalts aber doch lieber für mich. Die halbe Distanz ist bereits zurückgelegt: 1:14.45. Verdammt gute Zeit, aber ich weiß, der Marathon hat noch nicht wirklich begonnen. Im Training bin ich dieses Tempo maximal 25km lang gelaufen und das war schon recht zach, aber heute geht es um einiges leichter. Wir biegen ab in die Lichtensteinstrasse. Dagmar Rabensteiner (die frühere Marathonrekordlerin) steht bei Km 22,5 und feuert mich an. Das freut mich! Es geht vorbei am Franz-Josefs-Bahnhof und auf einmal erblicke ich in meiner Gruppe (bin mittlerweile die einzige Frau), den Haus- und Hoftempomacher und langjährigen Begleiter von Eva Gradwohl! Was macht der da, warum rennt der die ganze Zeit hinter mir, warum läuft er überhaupt und nein, bitte, ich will das nicht!! Ich werd nervös! Allerdings: vielleicht ist das genau der Sinn und Zweck dieser " Übung". Ich versuch mich zu beruhigen und ihn zu ignorieren. Bei Kilometer 25 steht Dagmar noch einmal: sie ruft mir zu, dass sie mir wünscht, den Rekord zu laufen! Das baut mich auf! Andi schreit mir zu, dass die Kilometerzeiten recht gut sind, aber mein Gefühl ist es nicht mehr! Jetzt muss wohl ein Kilometerschild falsch aufgestellt worden sein, denn den nächsten Kilometer laufe ich "angeblich" in 3:20. Die Schüttelstrasse wird etwas mühsam: ständig läuft man leicht bergauf und dann wieder runter. Ich freu mich schon auf die Hauptallee. Endlich hab ich sie erreicht, aber die kleine Schlaufe zum Stadion hin wird zur Herausforderung: ich hab einen nicht ganz unbedeutenden Durchhänger; ja, ich erinner mich auf einmal daran, dass Roman Weger letztes Jahr hier das Handtuch geschmissen hat. Wie, als könne er Gedanken lesen, beginnt jetzt Hermann auf mich einzureden: denk an was Schönes! Lass die negativen Gedanken beiseite!! Na gut, ich probiers!! Jetzt dring ich in unbekanntes Terrain vor: noch nie bin ich so lang, so schnell gelaufen und das Problem: es ist noch ein ganz schönes Stück bis ins Ziel! Den 31. Kilometer lauf ich wieder in 3:33. Das tut gut für die Psyche. Die ganze Hauptallee rauf und runter läuft wieder total gut, ja, als ich bei Km 37 aus dem Prater wieder raus laufe, denk ich mir fast, das wird richtig einfach bis ins Ziel. Doch dann kommt wieder die Schüttelstrasse mit ihren ständigen Rhythmusbrechern und die Zeiten werden langsamer! Kilometer 39: Andi schreit mir entgegen, dass ich, sollte ich die letzten 3 Km in 3:40 laufen, den Rekord in der Tasche hab. 3:40! ein Klacks denk ich mir und beginn mich schon zu freun. Allerdings folgt darauf ein Kilometer mit 3:45 und mein Optimismus ist dahin. Ich bieg jetzt gleich in den Ring ein. Hoffentlich stehn da recht viele Leute, die mich anfeuern und so die Anstrengung vergessen machen. Naja, so ganz klappt das noch nicht. Der nächste Kilometer ist ebenfalls nur in 3:43. Ich verzweifle ein bisschen und muss mich wieder neu motivieren. Ich führe ja, ich werde gewinnen, vergiss doch den blöden Rekord! Hermann, Thomas, Andi und zahlreiche Leute entlang der Strecke schrein mir was zu. Ich kann fast nichts verstehn, aber der Lärm erfüllt seinen Zweck: er betäubt die Gefühle der Anstrengung. Irgendjemand ruft mir zu, dass ich nur mehr 90 sek zu laufen hätte. Wirklich? Aber ich kann doch die Abzweigung zum Heldenplatz noch gar nicht sehn, wie soll sich das ausgehn? Kilometertafel 42: ich schau auf die Uhr und seh 2:30:00!! Ich weiß, ich habs geschafft, denn die letzten 200m werd ich wohl noch in 50 Sekunden absolvieren können. Ich laufe unter dem Heldentor durch. Tausende Leute tragen mich über die letzten Meter! Ich kann kaum noch den Kopf halten; zweimal fällt er mir in den Nacken, aber ich fixiere die Zeitnehmung! Die letzten Meter! Ich habs geschafft!!! 2:30:42! Sieg! Österreichischer Rekord! Und so ganz nebenbei, wär das auch das im letzten Jahr so heiß begehrte Olympialimit (2:33) gewesen! Was jetzt folgt ist größte Euphorie! Gefühle, die man wohl nur aus der Sportwelt kennt: trotz größter Anstrengung in den letzten 2,5 Stunden verspür ich keinerlei Müdigkeit, kann die Zielgerade im Freudentaumel sofort wieder jubelnd rauf und runter laufen. Erst beim missglückten Freudensprung muss ich zur Kenntnis nehmen, dass meine Muskeln jetzt doch nicht mehr ganz frisch sind! |