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Towerrunning World Championships Doha 27. und 28.3.

Andi berichtet:

Viareggio-Ismaning-Doha: Die Anreise

Am Mittwoch fuhren wir also in aller Frühe um 7.30 Uhr (eine meiner größten Leistungen dieses Trainingslagers) vollbepackt und mit einem großen Tisch auf dem Autodach aus Viareggio los Richtung Norden. Das schlechte Wetter machte uns den Abschied ein bisschen leichter - kurz nach der Abfahrt begann es zu schütten und hörte erst irgendwo in Südtirol wieder auf. Andrea durfte auf der Matte im Laderaum weiter schlafen, denn auf dem Beifahrersitz fuhren 2 große Lampen mit, die wir ebenfalls mit dem Tisch erstanden hatten.

Am Nachmittag trafen wir in Ismaning ein, 3 S-Bahnstationen vom Münchner Flughafen entfernt. Neben den Isarauen, die wir sogleich laufend erkundeten, ist der S-Bahnhof die einzige nennenswerte Sehenswürdigkeit dieses verschlafenen Ortes, der sonst nur durch fast schon besorgniserregende Sauberkeit, Ruhe und Ordnung auffiel (dazu später).

Am nächsten Morgen fuhren wir mit der S-Bahn zum Flughafen und saßen kurz nach 10 in einem riesigen Flieger der Qatar-Airways nach Doha. Ankunft ca. 6 Stunden später. Vom Flughafen wurden wir mit einem Riesenauto des Veranstalters, der Aspire Zone Foundation abgeholt. Auf der Fahrt in die ca 10 km vom Flughafen entfernte Aspire Zone zum Torch Tower, auf den das Rennen führen würde, sahen wir eine endlose Baustelle gigantischen Ausmaßes. Mit scheinbar unbegrenzten Geldmitteln aus der Ölindustrie wird hier eine Stadt aus dem Wüstenboden gestampft und vergrößert, werden riesige Straßen gebaut, wird betoniert und gegraben, verlegt und planiert, als gäbe es kein Morgen. Ein wenig furchterregend und nicht wirklich attraktiv. Jedenfalls aber groß, neu und beeindruckend.

Doha und der Torch Tower

Dann unser Hotel im Torch Tower, der Wettkampfort: Luxus pur in dem einer (olympischen) Fackel nachempfundenen Turm. Reichtum wird zur Schau gestellt. Ganz offensichtlich ganz vermögende Männer in ihrer traditionellen weißen Tracht, die Frauen neben ihnen tiefschwarz gekleidet und bis auf die Augen verhüllt.

Im Zimmer alles per i-pad fernbedienbar, Türen werden aufgehalten, klinisch saubere mit glänzendem Marmor ausgelegte riesige Plätze im Freien von indischen oder pakistanischen Arbeitern sinnloserweise im Stundentakt feucht aufgewischt. Denen geht es nicht ganz so gut wie den Qatarischen Dollarmillionären. Essen natürlich vom Feinsten und immer im Überfluss.

Ein kurzes abendliches Läufchen gönnten wir uns noch, um die vom langen Flug erstarrten Beine ein wenig zu lockern. Dabei sahen wir (obwohl es schon dunkel war, da von Flutlicht hell erleuchtet) die Sportstätten der Aspire Zone: das riesige Fußballstadion im Bau für die Fußball-WM, aber nein, nicht das fürs Finale, ein paar km weiter wurde gerade ein noch größeres gebaut, unzählige Hallen für alle Sportarten, Dutzende Fußball-Trainingsplätze, ausgelegt mit feinstem Natur-Rasenteppich (in der Wüste!), dauerbewässert, ein hell erleuchtetes Leichtathletik-Stadion, völlig leer, aus dem wir aber trotzdem nach 3 einsamen Proberunden auf der Bahn freundlich aber bestimmt mit den Worten: „This is private stadium - you cannot be here!“ verwiesen wurden.

Die Vorläufe

Aber nun endlich zum Wettkampf: die Aspire Foundation hatte diese ersten Treppenlauf-Weltmeisterschaften ever mit ungeheurem Aufwand und Perfektion organisiert. Die Konkurrenz an diesem Wochenende in Doha war aber auch groß: die besten Turner der Welt maßen sich ein paar hundert Meter entfernt beim Weltcup und gleichzeitig gaben sich Valentino Rossi und Kollegen beim Moto-GP in Doha die Ehre. Da wundert es wenig, dass das Zuschauerinteresse bei unserer Veranstaltung sehr klein war. Allerdings: beim Turn-Weltcup nur ein paar Dutzend Zuseher und beim Moto-GP grad mal 2.000. Die Sportbegeisterung der Scheichs hält sich in Grenzen. Vielleicht waren bei Real-Madrid gegen Paris-St. Germain ein paar Tage davor mehr dabei.

Am Freitag also gab es für uns die ersten Qualifikationsläufe auf den Turm, 51 Stockwerke, 230 Höhenmeter, 1.304 Stufen. Die Läufer wurden in 30-Sekunden-Abständen in das Treppenhaus geschickt. Die besten 30 erreichten das Finale. Andrea sollte Kraft sparen, lief trotzdem zügig und war in 7:51 min die Schnellste, aber nur 1 Sekunde vor Suzie Walsham aus Australien! Das gab ein wenig zu denken... So knapp hatten wir uns das nicht vorgestellt. Suzie erzählte, dass sie sich in den letzten 4 Monaten „nur“ 4 Mal pro Woche in den Wolkenkratzern Singapurs, wo sie lebt, ausschließlich auf diese WM vorbereitet hatte. Dazu als Ergänzung Radfahren. Vielleicht hätten wir doch das ein oder andere Mal in Viareggio auf einen steilen Berg rennen sollen? Naja, immerhin haben wir auf dem Weg zu unserem Appartment so gut wie nie den Lift benützt, aber das war auch nur im 3.Stock.

Die Männer waren davor drangewesen, ich brauchte über eine Taktik erst gar nicht nachzudenken, also volles Rohr. Vielleicht gab es ja ein paar Langsamere. Mein Vorteil: nur wenige Stiegenläufer, die nicht so wie die Besten eingeladen waren, hatten die hohen Kosten für Anreise und Quartier auf sich genommen. Und ich durfte ja gegen geringen Aufpreis in Andreas Zimmer wohnen... Also lief ich, was das Zeug hielt und erreichte mit letzter Kraft in (angeblich) 8:18 min das Ziel. Ich hatte 10 Sekunden mehr gestoppt, aber egal. Auch bei den anderen stimmte die Zeit nicht. Jedenfalls reichte das tatsächlich für den 27. Platz insgesamt und damit fürs Finale. In der Früh hatte es auch einen Lauf für die locals gegeben mit 255 Teilnehmern, aber da waren nur 3 schneller als ich. Die durften auch ins Finale.

Am Nachmittag mussten wir dann - noch einmal - um die Startaufstellung laufen. Die Organisatoren hatten fürs Finale eine „starting grid“ wie in der Formel 1 geplant, mit versetzten Zweierreihen, und nun hieß es nochmal bis ins 30. Stockwerk sprinten - immerhin noch vergleichbar mit einem Lauf auf den Donauturm. Wieder Einzelstart, wieder war Andrea die Schnellste, obwohl sie mit etwas Reserve lief. Und erneut war der Vorsprung auf Suzie, die auch nicht ganz voll gelaufen war, gering: nur 2 Sekunden. Leicht würde es am Samstag also nicht werden!

Ich lief auch nicht ganz voll, aber Reserven hatte ich irgendwie trotzdem keine mehr im 30. Stockwerk. So erkämpfte ich mir den 27. und viertletzten Startplatz.

Während Andrea ein bisschen Schlaf im (natürlich klimatisierten) Zimmer nachholte, begab ich mich zum nächsten Luxusexzess, einen außen an den Turm im 20. Stock angebauten Swimmingpool.

Venedig in der Wüste

Am Abend, nach dem Essen das nächste highlight: Andrea und ich „besichtigten“ die unmittelbar neben dem torch gelegene gigantische shopping mall. Hier hatten die Qataris mit ungeheurem Aufwand eine wenig gelungene, dafür umso kitschigere Nachbildung von Venedig im wahrsten Sinn des Wortes in den (Wüsten-) Sand gesetzt. Inmitten der unzähligen Geschäfte ein 300 Meter langer künstlicher Kanal mit Gondeln, in denen sich gelangweilte Scheichs mit ihren Frauen durch die Gänge des Einkaufszentrums schippern ließen, meist beide ins Smartphone vertieft, so wie etwa 90% der nichtgondelnden Besucher auch. Nächste Unglaublichkeit im Zentrum von Venedig in der Wüste: ein Eislaufplatz! Eine Weile sahen wir den Schlittschuhläufern zu, dann kehrten wir ein bisschen fassungslos ins Hotel zurück.

Das Finale

Am nächsten Morgen waren dann die beiden Finalläufe angesetzt, diesmal mit Massenstart. Es war eine Formel-1-Startaufstellung aufgebaut mit 15 Startreihen und sogar einer Formel-1-Ampelanlage! Zuerst waren die Frauen dran, Andrea stand in der 1. Reihe ganz vorne, Suzie schräg hinter ihr. Zuerst waren ca 150 flache Meter außerhalb des Turms zurückzulegen, dann ging es über eine breite Treppe in der Empfangshalle in den 1.Stock und danach erst ins Stiegenhaus. Bis dahin sollte man seine Position gefunden haben, denn Überholen im engen Treppenhaus war sehr schwierig. Andrea stürmte als erste in den Turm, knapp hinter ihr Suzie und die anderen Konkurrentinnen. Ich sprintete zum Aufzug, fuhr bis zum 19.Stock und erwischte Andrea gerade noch rechtzeitig zum Anfeuern. Suzie war noch immer knapp hinter ihr, schaute aber ziemlich entspannt drein. Andreas Gesichtsausdruck wirkte angestrengt. Zum ersten Mal bei einem Stiegenlauf machte ich mir ein wenig Sorgen...

Ich sprang wieder in den Lift und fuhr in den 43.Stock. Die Spannung war groß...Wer würde jetzt als Erste auftauchen? Nach 1 Minute bangen Wartens sah ich zu meiner großen Erleichterung Andrea um die Ecke biegen. Sie hatte sich nun doch ein wenig von Suzie gelöst und lief einen Treppenabsatz (14 Stufen) vor ihr. Das sah gut aus, nur noch 7 Stockwerke zu je 2 Treppenabsätzen! Eine knappe Minute später hatte sie es geschafft: Sieg in 7:50 min und erste Treppenlaufweltmeisterin, 4 Sekunden vor Suzie Walsham und schon über 1 Minute vor der Dritten, Dominika Wisniewska-Ulfik aus Polen!

Ich musste nun schnell wieder hinunterfahren, denn 30 Minuten später schaltete auch für mich die Startampel auf Grün. Aus der 14.Startreihe waren es zunächst einige Meter bis zur Startlinie, und da ich außerdem nicht allzuschnell loslief, war ich nach kurzer Zeit schon mit dem Überholproblem konfrontiert. Aber wie überholt man jemanden, der nur unwesentlich langsamer in einem engen Stiegenhaus mit kurzen Treppenabsätzen vor einem läuft? Ich hatte große Mühe damit, schaffte aber ein paar Plätze und musste mich gegen Ende ziemlich plagen. Irgendwie kam aber auch ich oben an und wurde letztendlich 23. in 8:37 min. Diese für eine WM sehr beachtliche Platzierung habe ich aber weniger meinem versteckten Talent als Stiegenläufer als vielmehr der geringen Teilnehmerzahl zu verdanken. Neben der eingeladenen Weltelite haben nämlich nur sehr wenige gute Treppenläufer die hohen Reise- und Aufenthaltskosten für diese WM auf sich genommen.

Jetzt aber durften wir feiern. Zuerst gab es die flower ceremony im 50.Stock, später dann eine sehr schöne Siegerehrung weiter unten im torch tower mit den Leuten von Aspire und einigen (mehr oder weniger gelangweilten) Scheichs, die die Preise überreichten. (Irgendwie hatte man den Eindruck, dass die reichen Qataris grundsätzlich unter großer Langeweile leiden und ihr Sportinteresse selbst durch Formel 1, Moto-GP oder Spitzenfußball kaum geweckt wird. Das ändert sich aber gerade, sagen die Leute von Aspire...).

A walk in the park

Davor waren Andrea und ich noch durch das riesige Erholungs- und Freizeitgelände in der Aspire Zone spaziert: Das war eine Fläche in der Größe des Donauparks, belegt mit dauerbewässertem Rollrasen, mit einem künstlichen Hügel, Gehwegen mit Tartanbelag, einer kilometerlangen Finnenbahn, Fitnessgeräten ohne jeden Trainingseffekt (zB Ergometer und Rudergeräte ohne Widerstand) und dem Verbot, sich ins Gras zu legen. Tut man das in Unkenntnis dieses Verbots, so wie wir, doch, kommt sofort einer der zahlreichen Park-Securities mit einem Elektrowagerl angesaust und erklärt freundlich aber bestimmt: „You cannot lie here“. Wir mussten uns also aufsetzen. Einen großen künstlichen Teich, in dem man nicht baden durfte, gab es auch, mit Brücken, über die man nicht laufen durfte und ein Extrahäuschen für „lost kids“. Am besten aber haben uns die vielen Lautsprecher auf dem ganzen Gelände gefallen, aus denen täuschend echtes Vogelgezwitscher tönte.

Rückkehr mit Ordnungswidrigkeit

Danach trafen wir uns wieder mit den anderen Treppenläufern im Hotelswimmingpool und nach der Siegerehrung zu einem tollen Gala-Abend-Diner. Gegen Mitternacht wurden wir dann zum Flughafen gebracht, denn kurz vor 2 Uhr nachts startete unser Flieger zurück nach München, wo wir um 7 Uhr ankamen und mit der S-Bahn nach Ismaning zu unserem in einer kaum befahrenen Nebenstraße abgestellten Auto zurückkehrten. Ein Ordnungshüter der ordentlichen Stadt aber hatte in der Zwischenzeit einen Strafzettel an der Windschutzscheibe hinterlassen, da wir eine Ordnungswidrigkeit begangen hatten: links zugefahren zum Parken. Darf man nämlich in Deutschland generell nicht.

Um 15 Euro ärmer, aber einen Weltmeistertitel reicher trafen wir gut 2 Stunden später zu Hause in Gmunden ein. Gerade rechtzeitig zum Mittagessen.

01The Torch, im 20. Stock das Schwimmbecken 02Saustall im Luxuszimmer 03Im Restaurant 04Das kleine Fußballstadion 05eine von vielen Sporthallen 06 07-1Qualifikation 07so schaut's aus in Doha 08 09 10 11doch recht anstrengend 12Venedig indoor 13canale grande indoor 14Eislaufen in Venedig 15Start zum Finale 16Ferrari und McLaren in der ersten Startreihe 17Los! 18die ersten Stufen 19Im._ 21._.neunzehnten._ 22._.Stockwerk 23sechsundvierzigsten 24Sieg!!! 25 26 27Der Beginn._ 28._.und das Ende 29Im._ 30._.Freizeitpark 31Wüstenlandschaft 32Ergometer ohne Widerstand 33Laufen verboten 34Lost Kids 35 36 Gras, Finnenbahn, Tartan oder Asphalt zur Auswahl 38Vogelgezwitscherlautsprecheranlage 39 40 41Genauso war's 42ein kleiner Teilder Bevölkerung interessiert sich für Sport 43Die VIP-Lounge, leider ohne VIPS (außer Andrea natürlich) 44 45 46 47 jquery simple lightboxby VisualLightBox.com v6.1