Dolomyths Run Vertical KM - Canazei (IT) 16.7.
Andi berichtet:
Im Frühling war nun schon zum 2. Mal hintereinader wegen der Corona-Pandemie unser Trainingslager-Urlaub in Viareggio ins Wasser gefallen. Geimpft und mit grünem Pass ausgerüstet beschlossen wir, im Juli ein bisschen Italienurlaubsgefühl nachzuholen und fuhren für 9 Tage nach Belluno. (Berg)laufschuhe und Rennräder waren natürlich mit im Gepäck.
Für die Rückreise hatten wir einen Wettkampf in Canazei eingeplant, das nördlich von Belluno in den Dolomiten liegt. Mit vielen Höhenmetern und Radkilometern gut vorbereitet kamen wir Donnerstag Nachmittag in Canazei an. Dieser Ort liegt zwar wunderschön im Fassatal, umgeben von den imposanten Gipfeln der Dolomiten, ist aber, so wie die Nachbarorte touristisch völlig überlaufen. Mit ihren unzähligen Hotels, Freizeit- und Vergnügungsparks, Gastronomiebetrieben usw. stehen die Orte in krassem Gegensatz zur wunderschönen Natur ringsherum.
Angemeldet hatten wir uns für ein Vertical-Kilometer-Rennen, also 1.000 Höhenmeter auf möglichst kurzer Strecke. In diesem Fall war die Strecke nur 2.430 Meter lang, was eine durchschnittliche Steigung von 41% ergibt. Tatsächlich war es das mit Abstand steilste Rennen, das Andrea und ich je bestritten hatten! Weil es so steil hinaufging, war sogar die Verwendung von Stöcken erlaubt.
Um 9 Uhr wurde die Gruppe der ersten 50 Eliteläufer, natürlich auch mit Andrea, losgeschickt, 2 Minuten später startete ich mit den nächsten 40 Läufern und nochmal 2 Minuten später durfte der Rest loslaufen. Eigentlich sollten nur je 20 Teilnehmer alle 4 Minuten und die Elite dann 1 Stunde später gesondert ins Rennen gehen, aber wegen der unsicheren Wetterlage wollten die Veranstalter das Rennen so schnell wie möglich durchziehen. Im Zielbereich gab es nämlich keine Verpflegung und keinen Wetterschutz und bei Wind und Regen wäre es da oben schnell ungemütlich geworden. Es war auch Pflicht, eine Regenjacke mitzuführen, da es cornonabedingt keinen Kleidertransport gab.
Andrea düste also los und merkte sehr schnell, genauso wie ich 2 Minuten später, warum ursprünglich nur 20er-Gruppen für den Start vorgesehen waren: Da wir beide im Gegensatz zu vielen anderen nicht besonders schnell starteten, steckten wir bald in einer langen Schlange fest, die sich auf dem steilen, schmalen Pfad durch den Wald nach oben bewegte. Überholen war kaum möglich bzw. mit großer Anstrengung verbunden, weil der Weg meistens ganz eng verlief. So ging ich (an Laufen war nicht zu denken) eine Weile im Gänsemarsch bergauf und fühlte mich stark eingebremst. Aber vielleicht war das ohnehin gerade das richtige Tempo für den Anfang. Die Strecke war ununterbrochen nur extrem steil und ich war sehr froh, die Stecken verwenden zu dürfen. Langsam begann sich das Feld etwas auseinanderzuziehen und ich konnte viele Läufer überholen, die zu optimistisch ins Rennen gegangen waren. Mit den Stöcken ging es mir richtig gut und ich konnte ordentlich antauchen.
Auch Andrea hatte alle Konkurrentinnen hinter sich gelassen und konnte nun ihr eigenes Tempo gehen, nachdem auch sie sich in ihrer Gruppe nach vorne gearbeitet hatte.
Weiter hinten steckte ich wieder ein paar Minuten hinter einem Konkurrenten fest, weil es auf dem schmalen Pfad, der oft nur aus Trittstufen im erdigen Boden bestand, die man halbwegs gut treffen sollte, ganz schwer gewesen wäre, sich irgendwie seitlich vorbeizuwurschteln. Irgendwann ließ er mich aber dann vor. Mit dem nächsten ging es mir ähnlich, dann kam aber auch schon endlich das Ziel in Sicht und es waren nur noch die letzten 60 oder 70 Höhenmeter über eine ultimativ steile Wiese zu erklimmen. Mit allerletzter Kraft stemmte ich mich nach oben und wurde auf den letzten Metern von Andrea abgeholt. Weit hätte es nicht mehr gehen dürfen. 45:18 min habe ich schlussendlich gebraucht und da war ich wirklich mehr als zufrieden. In dem gut besetzten Feld wurde ich 44. und habe sogar einige aus der 1. Startgruppe überholt.
Andrea hatte unterdessen souverän die Damenwertung gewonnen und war mit 39:58 min sogar knapp unter der 40er-Schallmauer geblieben. Trotzdem war sie nicht ganz zufrieden, das Laufen mit den Stecken lag ihr nicht so wirklich gut. Für mich war diese Möglichkeit allerdings ein Riesenvorteil, ich konnte mit den Stöcken ordentlich anschieben und schaffte so den seit Jahren geringsten Rückstand auf Andrea auf 1.000 Höhenmeter. Schon bei den nächsten Trainingsläufen ohne Stecken waren aber wieder die alten Verhältnisse hergestellt: Da wartete Andrea dann am Gipfel, so wie derzeit üblich, 10 Minuten (manchmal auch deutlich mehr) auf meine Ankunft...
Mit dem Preisgeld für ihren Sieg haben wir übrigens unseren Urlaub (fast) refinanziert, die Unterkunft in Belluno kostete grade mal 7 Euro mehr... Von Canazei fuhren wir dann noch ein Stückchen weiter und verbrachten die letzten beiden Urlaubstage in den Dolomiten mit Radfahren über unzählige Pässe (Sellaronda) und einem kleinen Berglauf (da konnte ich dann aber wirklich nicht mehr und hatte auf 800 Höhenmeter 20 Minuten Rückstand auf Andrea).
Einen Eindruck vom Rennen gibt es in diesem Video:
https://www.youtube.com/watch?v=khpSNOnOooo#
Und hier die Ergebnisse:
https://dolomythsrun.com/en/pdf/2021/DOLOMYTHSRUN-VK-2021-Classificagenerale.pdf