Towerrunning Europameisterschaften Wien - Brno - Bratislava 20.-22.6.
Andi berichtet:
Die Towerrunning World Asssociation veranstaltete an diesem Wochenende
erstmals eine Europameisterschaft im Treppenlauf, bestehend aus 3
Turmläufen an 3 Tagen in 3 Ländern. Den Anfang machte der nach langer Pause
wieder zum Leben erweckte legendäre Donauturmlauf in Wien, danach folgte
der Lauf auf den AZ-Tower in Brno und zuletzt der UFO-Vertical Sprint auf
die Aussichtsplattform der SNP-Brücke in Bratislava.
Der Veranstalter hatte keine Mühen und v.a. Kosten gescheut und ließ die
derzeit beste Treppenläuferin der Welt, die in Singapur lebende
Australierin Suzy Walsham einfliegen, um ein Duell mit der „still
undefeated Austrian Towerrunning legend Andrea Mayr“ (http://www.towerrunning.com/news.html#49
) zu ermöglichen. Gleichzeitig
reiste Andrea auf eigene Kosten mit der Westbahn nach Wien und am Samstag
per Sparschiene weiter nach Brno an.
Donauturmlauf 20.6.
Am späten Freitag Nachmittag radelten Andrea und ich in den nahen
Donaupark, wo sich die aus Bratislava angereisten Eliteläufer bereits
eingefunden hatten. Nachdem wir unsere Startzeiten in Erfahrung gebracht
und uns unter der Konkurrenz ein wenig umgeschaut hatten, ging es schon mit
dem Aufwärmen los. Das Treppenhaus kannten wir ja noch ganz gut vom letzten
Lauf 2008 und aus den Jahren davor, ich selbst war zwecks
Alternativtrainings auch heuer schon einige Male im Turm trainieren. Die
Daten: 150 Meter Höhenunterschied, 779 Stufen, 60 Podeste. Kurz nach 19 Uhr
war es dann für Andrea so weit: Sie wurde, obwohl Favoritin, nicht als
Letzte oder Vorletzte, sondern schon einige Startpositionen davor ins
Rennen geschickt. Das war insoferne ein Nachteil, als bei nur
30-Sekunden-Startintervallen Überholmanöver vorhersehbar waren. Andrea war
sehr nervös, da ihr Duell mit der in den letzten 15 Rennen unbesiegten
Australierin ziemlich hochgespielt wurde. Nichtsdestotrotz stürmte sie
blitzartig davon und war wenige Sekunden später im Stiegenhaus
verschwunden. Würde sie ihre Bestzeit aus dem Jahr 2008 von 4:04 min
angreifen können? Ich hatte die Stoppuhr gedrückt und schaute nun gebannt
auf die Bildschirme, die u.a. auch den Zieleinlauf der Teilnehmer
übertrugen. 2 Minuten waren vergangen, dann 3 Minuten, 3:30 - auf dem
Bildschirm sah man alle möglichen Läufer, die sich an den
unterschiedlichsten Stellen abmühten - dann 3:50 min, die Sekunden flogen
dahin und plötzlich flog auch Andrea ins Ziel: 3:57 min - eine
sensationelle Bestzeit, Streckenrekord und erste Zeit einer Frau unter 4
Minuten!! Obwohl Andrea 5 Läuferinnen überholen musste, gelang ihr diese
Superzeit, bei der die Konkurrentinnen chancenlos waren. Die
zweitplatzierte Australierin hatte bereits 34 Sekunden Rückstand, die
Dritte schon 48 Sekunden. Andrea hatte das Duell ganz eindeutig für sich
entschieden und ging damit in der Zwischenwertung der EM natürlich in
Führung.
Etwa eine halbe Stunde später ging ich ins Rennen und hätte mich eigentlich
ganz gut gefühlt, hätte ich nicht die Schritte des 30 Sekunden nach mir
gestarteten Spaniers schon nach kurzer Zeit ganz deutlich und nahe hinter
mir gehört. Er lief eine unglaubliche Frequenz und hatte mich nach 35 von
60 Podesten bereits eingeholt. Ich ließ ihn passieren, merkte aber, dass er
kurz danach deutlich langsamer wurde, so langsam, dass ich sogar wieder auf
ihn aufholte. Gemeinsam überholten wir einen Starter vor uns und kamen fast
gleichzeitig ins Ziel. Mit 4:27 min war ich exakt 30 Sekunden langsamer als
Andrea und 0,32 Sekunden schneller als 2008. Das gleiche Kunststück brachte
auch Pascal zusammen, der seine Zeit aus 2008 (5:55 min) ebenso fast exakt
erreichte (+ 0,51). Insgesamt wurde ich 30.
Auch David war am Start, jedoch mit seiner Zeit von 3:52 min nicht ganz
zufrieden. Er hatte sich das Stiegenhaus aber vorher aus Zeitgründen nicht
anschauen können, was bei so einem Lauf ein Riesennachteil ist.
Oben im Turmrestaurant gab es dann nach der Siegerehrung für die
Eliteläufer noch ein tolles Sportlerbuffet mit Ausblick. Gegen 22 Uhr
radelten wir wieder heim.
AZ Tower Vertical Sprint Brno 21.6.
Am nächsten Tag kurz vor 10 Uhr bestiegen wir in Simmering den Zug nach
Brno und erreichten gegen 13 Uhr den modernen AZ-Tower im Gewerbegebiet von
Brno, etwas außerhalb des Zentrums. Dieses Hochhaus ist mit knapp über 100
Metern das höchste Gebäude Tschechiens, 700 (flachere) Stufen führen ganz
nach oben. Im breiten Stiegenhaus mit 30 Stockwerken kann man sich nur an
einer Seite anhalten, ganz zum Schluss führen 5 sehr steile Eisentreppen
zum allerhöchsten Punkt außerhalb des Gebäudes. Der Lauf forderte aufgrund
der flacheren Stiegen und der ca. 30 Sekunden kürzeren Laufzeit mehr
Schnelligkeit und Koordination, er war unrhythmischer zu laufen als der
Donauturm und die Wenden zwischen den einzelnen Absätzen sollten sauber
gelaufen werden, sonst konnte man sehr leicht Zeit verlieren. Es wurde in
gestürzter Reihenfolge des Zwischenklassements gestartet, Andrea war also
diesmal als Letzte der Elite-Damen dran. Die ersten 2 Treppenabsätze, die
mit viel Schwung vom Start weg angelaufen wurden, verstolperte sie gleich
einmal ordentlich und kam auch danach nicht richtig ins Laufen. Immer
wieder war die Entscheidung zu treffen, 2 oder 3 Stufen auf einmal zu
nehmen und immer wieder blieb Andrea eine einzige Stufe übrig, was einen
zusätzlichen Schritt bedeutete. Erst ab dem 15. Stockwerk fand sie einen
guten Rhythmus und konnte das geplante Tempo laufen. Diesmal wurde es
deutlich spannender - ich versuchte, von außen auf die Spitze des
Hochhauses zu spähen, konnte aber die einzelnen Läuferinnen nicht genau
erkennen. So war ich auf den Bildschirm mit den Ergebnissen angewiesen und
nach endlos scheinenden Minuten dann das Resultat: 2:0 für Andrea, wenn
auch deutlich knapper als am Vortag! Mit 7 Sekunden Vorsprung hatte sie das
Rennen diesmal vor Suzy Walsham entschieden, 15 Sekunden später war die
Tschechin Lenka Svabikova so wie gestern als Dritte im Ziel. 3:30 min war
Andreas Laufzeit.
Ich legte ca. eine halbe Stunde später einer eher mäßige Vorstellung hin,
hatte zwar keine allzugroßen Probleme mit dem Rhythmus, dafür fehlte ein
wenig die Kraft. 3:51 min war meine Zeit, sie reichte für den 36. Platz.
Nach der Siegerehrung zu ebener Erde gab es ein unerwartetes highlight: vor
den Augen der versammelten Treppenläufer vollführte ein wagemutiger
Amerikaner einen (wahrscheinlich illegalen) base jump vom Dach des
Gebäudes. Er landete souverän inmitten der staunenden Menge und sorgte nach
der Anstrengung davor (zumindest bei mir) ein zweites Mal für erhöhte
Pulswerte!
Mit einem beruhigenden Vorsprung in der EM-Wertung im Gepäck (Andrea konnte
sich für den Gesamtsieg beim letzten Rennen sogar einen 4. Platz leisten)
bestiegen wir in Brünn den Bus der Treppenläufer und fuhren mit ins
gemeinsame Hotel in Bratislava.
Am Abend gingen wir gemeinsam essen in einem Lokal an der Donau, mit Blick
bereits auf das am nächsten Tag zu bezwingende Bauwerk - den schrägen
Pfeiler der „Nowy most“ (neue Brücke) oder „SNP-Brücke“ (Brücke des
Slowakischen Nationalaufstandes), die von der Altstadt über die Donau
führt.
UFO-Vertical Sprint Bratislava 22.6.
In 85 Metern Höhe auf den beiden Brückenpfeilern befindet sich ein
Restaurant in Form einer fliegenden Untertasse und 9 Meter darüber eine
Aussichtsplattform, die durch ein enges schräges Stiegenhaus über eine
schmale eiserne Wendeltreppe zu erstürmen war. Das kürzeste und technisch
schwierigste der 3 Rennen erwartete uns. 20 Treppendrehungen mit jeweils
einem ganz kurzen Treppenabsatz bis zum Restaurant und dann noch 5
unterschiedlich hohe Treppenabsätze bis zum Ziel. Gestartet wurde auf der
Donaupromenade - nach einem 30-Meter-Sprint und 10 Stufen mussten wir durch
eine ganz enge und niedrige Türe zuerst 2 und dann 3 Stufen bergab ins
Stiegenhaus springen, dann erst ging es nach oben. Trotz ihrer überlegenen
Führung war Andrea extrem nervös und kaum zu beruhigen. Immer wieder fragte
sie sich, ob sie es schaffen würde, gleichzeitig die engen Stufen und die
schmalen Handläufe im Auge zu behalten, nicht danebenzusteigen und zu
stolpern und den Lauf gleichmäßig schnell in einem Zug nach oben zu
bringen. Für sie sprach jedenfalls, dass die Stufen sehr steil waren und
viel Kraft gefragt war. Zu rechnen war mit einer Laufzeit von knapp über 2
Minuten bis etwa 2:20 oder 2:30. Wiederum erfolgte der Start nach der
Zwischenwertung und Andrea war als Letzte des Damenfelds dran. Sie stürmte
los, sprintete über die ersten Stufen noch außerhalb des Brückenpfeilers
und sprang in das Treppenhaus hinein. Meine Stoppuhr lief wieder mit und
auf dem Bildschirm konnte ich diesmal die Zielankunft der drei schnellsten
Damen mitverfolgen. Andrea erwischte diesmal gleich einen guten Rhythmus
und konnte ihre Stärke, wenn es steil bergauf geht, gut umsetzen. Die
ersten Stockwerke gingen flüssig und schon beim 10. Stockwerk hatte sie,
wie sie später erzählte, ein so gutes Gefühl, dass sie beinahe schon sicher
war, zu gewinnen. Die eine Minute vor ihr gestartete Tschechin tauchte
schon 1:23 min nach Andreas Start auf dem Bildschirm auf - Laufzeit also
2:23 min - exakt 30 Sekunden später lief Suzie Walsham ein - zwischen den
beiden war es also ganz knapp hergegangen. Jetzt blieben nur noch weitere
knapp 30 Sekunden bis zur Entscheidung: 2:10 zeigte meine Uhr jetzt, 2:13,
2:14 und da stolperte Andrea schon ins Bild - fast wären ihr die letzten
beiden Stufen noch zum Verhängnis geworden! 2 Mal musste sie ansetzen, um
drüberzukommen, aber bei 2:15 min blieb dann die Uhr wirklich stehen! 3:0
für Andrea, auch das dritte und kürzeste Rennen hatte sie, diesmal mit 8
Sekunden Vorsprung für sich entschieden. Eine halbe Ewigkeit in Anbetracht
der Abstände zwischen den besten Männern, die meist nur wenige
Zehntelsekunden bei wechselnden Siegern und Platzierten betrugen!
Die große Nervosität wich jetzt einer Riesenfreude - mit dem Punktemaximum
hatte Andrea die Europameisterschaft für sich entschieden und ist damit fix
qualifiziert und (fast noch wichtiger) auch eingeladen zur 1.
Treppenlaufweltmeisterschaft Ende März 2015 in Doha. Man kann sich
vorstellen, das bei diesem Austragungsort wohl kaum irgendwo gespart werden
wird...
Rechtzeitig zu meinem Start war Andrea wieder unten zum Anfeuern, aber
leider habe ich es ihr nicht wirklich gleich tun können. Schon die ersten
paar Stufen hab ich ausgiebig angebremst und in das Stiegenhaus bin ich
mehr hineingestiegen als -gelaufen. Der Rest war auch eher bescheiden - mit
den Händen griff ich recht oft ins Leere statt aufs Geländer und
verwandelte mit einer ziemlich eckigen Fahrlinie die Wendeltreppe zur
Wandeltreppe. Immerhin hatte ich mich trotzdem völlig ausgegeben und
kollerte über die Ziellinie, obwohl ich mit 2:36 min gleich 21 Sekunden
Rückstand auf Andrea aufgerissen hatte. Das reichte nur für den 43. Platz.
Die Enttäuschung war aber beim beeindruckenden Ausblick im Ziel und der
folgenden tollen Gesamtsiegerehrung für Andrea direkt am Donauufer schnell
vergessen. Davor sprangen Andrea und ich nach dem Auslaufen zur Abkühlung
noch in die Donau und nach einem ausgiebigen Sportlerbuffet bei herrlichem
Wetter fuhren wir am frühen Abend wieder zurück nach Wien. Während Andrea
mit den tollen Leistungen der vergangenen Tage ihre Position als
Treppenlauflegende gefestigt hatte, durfte ich mich darüber freuen, mit
meinem einem Weltcuppunkt für den 30. Platz beim Donauturmlauf aus dem
Nichts ungefähr auf den 1.000. Platz der Treppenlaufweltrangliste
eingestiegen zu sein. Ich werde nun alles daran setzen, diese Position zu
verteidigen!