Hochfelln-Berglauf 28.9.
Andi berichtet:
Gut 2 Stunden nach unserem Aufbruch von der Siegerehrung des Gislaufs kamen
wir gegen 19.30 Uhr und somit gerade noch rechtzeitig vor dem Ende der
Pastaparty in Bergen an. So konnten wir unseren Hunger mit einer großen
Portion Nudeln und Salat stillen und Andrea, die nach ihrem WM-Titel mit
riesigem Applaus begrüßt wurde, erhielt ihre Startnummer.
Nach einigen Gesprächen mit Veranstaltern, Läufern und Journalisten fuhren
wir schon bald ins Quartier, um am nächsten Morgen halbwegs ausgeschlafen
zu sein. Das war ich zwar um 6.50 Uhr nicht, trotzdem hieß es aufstehen und
frühstücken, um 19 Stunden nach dem Zieleinlauf bei Österreichs ältestem
Berglauf auf die Gis nun beim ältesten Berglauf Deutschlands rechtzeitig am
Start zu sein. Der ist nach eigenen Angaben nicht nur Deutschlands
ältester, sondern auch bedeutendster und inzwischen auch einer der
weltbestbesetzten Bergläufe. Noch dazu wurden heuer die deutschen
Berglaufmeisterschaften in Bergen ausgetragen, sodass eine große Anzahl
starker Läufer die 8,9 km lange Strecke mit ihrem Höhenunterschied von
1.074 m in Angriff nahm. Insgesamt gab es knapp 400 Teilnehmer.
Neben Petro Mamo aus Eritrea, Jonathan Wyatt und Robbie Simpson aus England
trafen wir vor dem Start auch David, der am Vortag direkt von seinem
hervorragenden 2. Platz beim Schneeberglauf (hinter Petro Mamo) angereist
war.
Bei keinem anderen Lauf wird so schnell gestartet wie beim
Hochfelln-Berglauf. Warum, ist Andrea und mir ein Rätsel, da die Strecke zu
Beginn breit und nur leicht ansteigend ist. Trotzdem rennen die ersten 150
Läufer nach dem Startschuss aus einer alten Kanone los, als gäbe es nach
der ersten Kurve Freibier und dahinter kein Morgen. Ich rutschte noch dazu
gleich beim ersten Schritt auf der nassen Wiese aus und brauchte die
nächsten 10 Schritte, um einen Sturz zu vermeiden. Rund um mich brausten
und drängten die Läufer vorbei und auch Andrea, die ja normalerweise nicht
gerade langsam startet, hatte das Gefühl, mitten in einer flüchtenden
Rinderherde zu stecken. Mit der Zeit beruhigte sich die Menge und ich fand
meinen Platz schätzungsweise an 100. Stelle. Andrea sah ich nicht eine
einzige Sekunde, da das Gedränge zwischen uns zu dicht war.
Ihr geheimes Ziel war der eigene Streckenrekord aus dem Super-Berglaufjahr
2008, keine leichte Aufgabe. So machte sie jedenfalls mächtig Druck und war
auch für die zweitplatzierte Frau sofort außer Sichtweite. Diese sah ich
etwa 20 Sekunden vor mir laufen, während ich unmittelbar hinter der
Dritten, Antonella Confortola das Rennen zunächst vorsichtig anging und
trotzdem einen nach dem anderen überholte. Die ersten 3 km steigen nur
mäßig an, ein Schnitt von 4:20 mink war möglich. Dann wird es deutlich
steiler und ab km 5 auch technisch schwieriger mit hohen Stufen, Steinen
und Wurzeln und noch steiler. Man erreicht die Mittelstation der Seilbahn,
läuft aus dem Wald auf eine Alm und einen nach wie vor sehr steilen, aber
breiteren Wanderweg. Dort gab es eine Zwischenzeitmessung - für mich nach
29:02 min - was den 65. Platz bedeutete. Gut dreieinhalb Minuten davor war
Andrea mit 25:29 min als 17. durchgekommen (diesen Gesamtrang behielt sie
bis zum Schluss) und hatte schon 3:10 Vorsprung auf die Zweite und 3:30 auf
die Dritte. Nach der Alm kommen bald wieder Stufen und ein enger, steiniger
und steiler Weg, der sich nicht enden wollend in Serpentinen nach oben
windet. Je weiter man nach oben kommt, desto schwieriger wird der
Untergrund. Lockere Steine und unterschiedlich hohe Stufen machten es mir
schwer, die Schritte richtig zu setzen und kosteten viel Kraft. Kraft, die
mir nach und nach ausging, während sie bei Andrea noch reichlich vorhanden
war! Und so vergrößerte sie ihren Vorsprung immer weiter, gleichzeitig
verlor ich leider den Anschluss an die dritte Dame. Zwar konnte ich noch
einige wenige Konkurrenten überholen, wurde aber auch selbst 2 oder 3 Mal
überholt.
Obwohl Andrea super unterwegs war, hatte sie leider keinen Anhaltspunkt,
wie sie im Vergleich zu ihrer Bestzeit lag. Mittlerweile lief sie relativ
allein, 10 Sekunden vor und hinter ihr war niemand. Vielleicht fehlte nach
den vielen Höhepunkten des heurigen Jahres auch ein klein wenig der
allerletzte Biss, jedenfalls wurde es gegen Ende ganz knapp mit dem
Streckenrekord. Während ich den letzten Kilometer in Angriff nahm, sah
Andrea, die den Streckenrekord in den Minuten davor schon sicher verloren
geglaubt hatte, auf der allerletzten extrem steile Rampe, 15 Sekunden vor
dem Ziel, dass es doch noch ganz eng war und begann einen gewaltigen
Schlusssprint. Dabei rutschte sie im feuchten Gras und auf der nassen Erde
10 Meter vor dem Ziel 2 Mal aus, stürmte dann irgendwie über die Ziellinie
und - musste erst mal warten... Zunächst 6:20 min auf die Zweite, die
Deutsche Julia Viellehner, die überraschend alle Berglaufspezialistinnen
abgehängt hatte und deutsche Meisterin wurde, weitere 40 Sekunden auf die
Dritte, Antonella Confortola-Wyatt und noch einmal 20 Sekunden auf mich.
Macht insgesamt 7:20 Minuten Rückstand für mich, nicht gerade wenig, aber
trotzdem war ich nicht unzufrieden, ausgenommen vielleicht mit meinen
letzten 10, eher schwachen Minuten. Gemeinsam bangten wir nun dem Ergebnis
der offiziellen Zeitmessung entgegen, das wir 15 Minuten später erfuhren:
ein kleiner Wermutstropfen in der sonst so großartigen Zielverpflegung: Um
1,8 Sekunden hatte Andrea ihren Streckenrekord letztendlich verpasst. Nie
hätten wir geglaubt, dass sie (6 Jahre später) noch einmal an die
unglaubliche Berglaufform von 2008 herankommen würde, nun hatte sie es
geschafft und war doch ein wenig enttäuscht.
Schließlich aber überwog die Freude und wir genossen den wunderschönen,
warmen Spätsommertag auf dem Gipfel des Hochfelln mit atemberaubender
Aussicht auf den Chiemsee im Norden und die Berge der Alpen im Süden, das
sensationelle Zielbuffet mit Wurst- und Käseweckerln samt frischen
Gurkerln, einer Riesenpalette selbstgemachter Kuchen, Trockenfrüchten und
Nüssen, Obst und verschiedensten Getränken.
Dabei feierten wir gemeinsam mit Thea und Emil auch Davids tolle Leistung,
der fast alle Berglaufstars hinter sich lassen konnte und hinter Petro Mamo
aus Eritrea erneut hervorragender Zweiter wurde.
Nach der flower-ceremony auf dem Gipfel ging es mit der Seilbahn ins Tal
und eine Stunde später zur Siegerehrung im Kurpark in Bergen. Die dauerte
zwar wegen der Ehrung sämtlicher deutscher Meister in allen Altersklassen
recht lange, dafür wurde Andrea dann noch einmal ausgiebig gefeiert und ihr
zu Ehren sogar die österreichische Bundeshymne gespielt! Mit einem
bayerischen Brotzeit-Körberl im Gepäck traten wir die Heimreise an. Für
meinen 61. Gesamtrang gab's leider nix, auch in der AK 45 hat's nur zum 7.
Platz gereicht.
Danke an Winfried Stinn für seine tollen Fotos. Einen langen Bericht von
ihm mit vielen weiteren Fotos gibt's auch auf http://www.laufreport.de/archiv/0914/bergen/bergen.htm.